Von einer Idee zum Roman

„Drei Tage“ ist der Titel einer Kurzgeschichte, die ich im Januar 2021 für einen Sammelband zu der Ausstellung „Ukraine – Ansichtssachen“ geschrieben habe. In dieser Geschichte geht es – ganz kurz gesagt – um die Tage nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl.

Den Sammelband mit vielen spannenden Texten findet ihr bei Amazon:

Es war auch für mich sehr interessant, wie ich überhaupt auf das Thema der Geschichte, die Perspektive und die Figuren gekommen bin, über und für die ich schreiben wollte:

Zwar war das Thema ein wenig vorgegeben, denn ich wollte Texte für den Sammelband zur Ausstellung „Ukraine – Ansichtssachen“ des Malers Thorsten Böckmann schreiben – also war klar, dass es „irgendwie mit der Ukraine“ zu tun haben muss. Mehr war aber zumindest mir nicht klar. Und ich merkte auch, welch erschreckende Wissenslücken ich im Hinblick auf die Ukraine hatte, wie wenig ich über Geographie, Kultur, Menschen, Geschichte wusste.

Leider war es so, dass ich etwas unter Zeitdruck stand. — Randbemerkung: Übrigens auch eine interessante Erkenntnis für mich – denn ich habe schon lange nicht mehr an „etwas mit Einsendeschluss“ teilgenommen, erst recht nicht mitten in einer Phase, in der sich die Termine und Arbeiten für die Lehrbücher nur so aneinanderreihten, mit denen ich zumindest ein wenig Geld verdiene – deshalb konnte ich sie nicht einfach hinwerfen. Und ich habe in dem Moment mehr ls jemals zuvor gemerkt, wie wichtig der „Freiraum im Kopf“ für kreative Arbeiten ist, dafür, Ideen überhaupt entwickeln zu können. — Jedenfalls hatte ich mir dann eine knappe Woche fast „freigenommen“ von anderen Verpflichtungen, um mich um Texte für die Ukraine-Ausstellung kümmern zu können. Und dann habe ich zu Beginn dieser Woche erst einmal versucht, mich in das Thema hineinzufinden, habe verschiedene Artikel zum Thema gelesen, mir die Bilder von Thorsten mehrmals angeschaut, habe Dokumentationen über die Ukraine geschaut. Und in genau einer solchen Dokumentation hat es mich dann erwischt: Ich habe ein Foto gesehen von einem Jungen auf einem Karussell, ohne zu wissen, wo genau dieses Foto entstanden war. Aus der Dokumentation erfuhr ich nur, dass es einen Vergnügungspark, einen Rummel gegeben hatte, in der Nähe von Tschernobyl, und dass dieser nicht mehr eröffnet wurde, da es zum Reaktorunglück kam. Vor der offiziellen Eröffnung, die nie stattfand, hatte es aber einen Probebetrieb gegeben – und da war eben jenes Foto entstanden. Der Junge blickt in die Kamera, das Foto ist schwarz-weiß. Und ich hatte in genau diesem Moment die komplette Geschichte in mir, vielleicht war sie auch schon dort und das Foto war gewissermaßen nur der Schlüssel zu der Schublade, in der ich sie abgelegt hatte. Wenn ich sage, die Geschichte war „komplett“, dann meine ich den Rahmen – was die Situation ist, welche Figuren auftreten, aus wessen Perspektive erzählt wird. Nicht alle Details, nicht alle Gedanken der Figuren, nicht alle Sätze, die sie sagen. Zunächst musste und wollte ich viele dieser Details recherchieren – wo der Park war, wie genau der zeitliche Ablauf damals gewesen war.

Ich begann zu schreiben und schon beim Schreiben hatte ich das Gefühl, dass diese Kurzgeschichte eigentlich „unfertig“ sein würde, dass aus dieser Geschichte ein längerer Text werden sollte, vielleicht sogar ein Roman. Dieser Eindruck hat sich übrigens noch verstärkt, als ich die Geschichte wenige Wochen später noch mal gelesen habe (zum ersten Mal, seit ich sie geschrieben und abgeschickt hatte). Dass ich die Geschichte im Januar nicht „länger machen“ konnte, hatte leider einfach praktische Gründe – die Zeit war bei mir knapp und vor allem warteten auch die Herausgeber des Sammelbands auf mein Manuskript (ich hatte zuerst „nur“ ein paar kürzere Texte eingereicht, die zu den Gemälden von Thorsten Böckmann entstanden waren, mich dann aber noch mal gemeldet und gesagt, dass ich eigentlich lieber eine Kurzgeschichte einreichen würde, die aber gerade noch in Arbeit sei). Naja, ich war in jedem Fall froh. zumindest noch die „kurze Version“ dieser Geschichte geschrieben zu haben, aber ich merkte auch, wie ich noch immer den Wunsch hatte, das Thema, die Geschichte wirklich mit der Ausführlichkeit und Sorgfalt zu erzählten, wie sie es verdient. Und das ist eines der Projekte, an denen ich nun aktuell arbeite.

Wer die virtuelle Lesung mit Texten aus dem Sammelband anschauen möchte hier der Link: